Ziel der Zwangsvollstreckung ist die Befriedigung des Gläubigers als Rechtserfolg. Die Wirklichkeit zeigt jedoch ein ganz anderes Bild.

Mit In-Kraft-Treten der InsO am 01.01.1999 wurde die Insolvenz privater Personen mit dem Ziel der Restschuldbefreiung eingeführt. Die Zwangsvollstreckung stand bereits zu diesem Zeitpunkt unter dem Stern der Erfolglosigkeit (Behr, AnwBI 1996, 599). Die mit der Restschuldbefreiung verfolgten sozial- und wirtschaftspolitischen Reformziele sollten insbesondere für die oft unverschuldet in Existenznot geratenen Verbraucherschuldner gelten (Ausweg aus dem "modernen Schuldturm"). Flankierend zur Insolvenzordnung trat zeitgleich die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle in Kraft. Über Nacht mussten die Gerichtsvollzieher die Verfahren zur Offenbarungsversicherung zusätzlich übernehmen (in 2003 über 3,8 Mio., neben fast 9 Mio. Vollstreckungsaufträgen, DGVZ 2002, 143). Die Sachpfändung ist heute überwiegend ein erfolgloses Durchlaufverfahren zur Erstellung des Vermögensverzeichnisses, aus dem Ansprüche erkennbar sind, die aber Dank des Gesetzgebers und der Rechtsprechung nicht pfändbar sind.

Mit dem InsOÄndG vom 26.10.2001 wurden weitere schuldnerfreundliche Maßnahmen eingeführt: u.a. Kostenstundung, Ausdehnung der Rückschlagsperre sowie Verkürzung der Wohlverhaltensphase. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen stieg drastisch an (über 61 000 in 2003, über 36 000 bereits im 1. Halbjahr 2004, bei einem Forderungsvolumen von ca. 20 Mrd. Euro). Die Pfändung des Arbeitseinkommens bei Verbraucherschuldnern ist für den Gläubiger unerreichbar geworden.

Am 01.01.2002 folgte das 7. Gesetz zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, das eine 50%ige Erhöhung beinhaltet. Damit liefen auch noch weitere Pfändungen ins Leere. Die Gläubigerposition war erneut entscheidend verschlechtert und geschwächt worden (Schmidt, NJW-Editorial Heft 42/2002, S. III).

Und es geht weiter: der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der InsO und anderer Gesetze liegt vor (NZI 2204, 549). Hier ist u.a. vorgesehen, dass auf Antrag des Schuldners die Pfändung seines Kontos in vollem Umfange aufgehoben werden kann, sofern überwiegend Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen auf dem Konto gebucht werden, §850k II ZPO, § 55 V SGB. Die Aufhebung soll bereits 3 Monate nach Antragstellung des Schuldners wirksam werden (fiktive Wirkung (!) oder nach Beschluss oder sollen die Gerichte hierdurch unter Zeitdruck gesetzt werden?) Damit schießt der Gesetzgeber weit über das  Ziel hinaus. Die Begründung spricht - wie immer - davon, dass die Gerichte entlastet werden sollen und das Ganze mit den berechtigten Interessen der Gläubiger in Einklang steht. Das muss Gerichten und Gläubigern wie Hohn in den Ohren klingen. Millionen Schuldneranträge auf Aufhebung von Kontenpfändungen werden auf die Gerichte zurollen. Nach dem Aus der Pfändung in Arbeitseinkommen und Sozialleistungen steht auch die Pfändung in Girokonten vor dem Todesstoß. Der Schuldner hat sein Konto zur freien Verfügung zurück.

Der Gläubiger hat ein Recht auf Zwangsvollstreckung aus Art. 14 I GG. Die Zwangsvollstreckung ist volkswirtschaftlich gesehen ein Glied in unserem Wirtschaftsleben. Eine vollkommene Wirtschaftlichkeit kann sie zwar nie erreichen, aber ihr jede wirtschaftliche Bedeutung abzusprechen, ist absurd. Bleibt die Frage, wer den apokalyptischen Reitern im BMJ noch Einhalt gebieten kann.

(Professor Dipl.-Rpfl. Udo Hintzen, Berlin - In NJW 2004, Heft 48, Editoria)